VdS-Schadenverhuetung Technische Pruefstelle

Löschanlagen im Bestand und im Neubau

Auswirkungen des Verbots von AFFF-Schaummitteln

Fluorhaltige Schaummittel werden verboten. Das hat mittlerweile jeder schon einmal gehört, der sich mit Brandschutz beschäftigt.

Text: Eike Peltzer, E.P.FIRE

Eine naheliegende Reaktion ist: Warten bis die Schaummittelhersteller wirksame und zugelassene Alternativen auf den Markt bringen. Doch allzu große Hoffnungen, dass damit alle Probleme gelöst werden, sind nicht gerechtfertigt. Denn es gibt mehr zu tun als einen Tausch Alt gegen Neu. Wer abwartet, kann schnell auf die Nase fallen, wenn das vorhandene Schaummittel plötzlich nicht mehr eingesetzt werden darf. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die kommenden Herausforderungen.

Der Siegeszug der AFFF

[1] Eine Übersicht über AFFF und seine Wirkweise gibt es hier: https://epfire.de/afff-schaum

Wasserfilmbildende Schaummittel (AFFF) haben seit ihrer Erfindung in den späten 1960er-Jahren einen wahren Siegeszug hingelegt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Wasserfilm, der sich zwischen dem Brennstoff und dem Schaum ausbildet, sorgt für eine schnelle Ausbreitung des Schaums, unterdrückt das Ausgasen des Brennstoffs und die Fluortenside helfen auch noch, dass der Schaum wenig Brennstoff aufnimmt – ein Effekt, für den herkömmliche Kohlenwasserstofftenside anfällig sind.[1]

Für Löschanlagen bieten AFFF außerdem einen weiteren wichtigen Vorteil: Da der Wasserfilm einen Großteil zur Löschwirkung beiträgt, spielt die Qualität des Schaums an sich eine weniger große Rolle. Also beispielsweise die Verschäumungszahl, d. h. das Volumenverhältnis zwischen Schaum und Premix. Das Premix kann auch nahezu unverschäumt über Sprinkler ausgebracht werden.

Die Unterschiede der fluorfreien Schaummittel zu den AFFF

Bei fluorfreien Schaummitteln feh- len die Fluortenside, dadurch der Wasserfilm – und jetzt kommt es auf die physikalischen Eigenschaften des Schaums an. Eine gute Qualität ist nun wichtig. Das bedeutet in der Regel ein Mindestmaß an Verschäumung, und ebenso spielen Aspekte eine Rolle, von denen bislang niemand gehört oder zu denen sich zumindest niemand Gedanken gemacht hat. Die Schaumblasengrößen und deren Verteilung zum Beispiel. Zu den beiden Faktoren Schaummittel und gute Verschäumung kommen weitere hinzu, die die Leistungsfähigkeit beeinflussen. Die Wasserbeaufschlagung (oder Aufbringrate) und – insbesondere bei brennbaren Flüssigkeiten – die Aufbringart, also ob der Schaum auf den Brennstoff direkt trifft oder sanft an einer Wand herunterfließen kann.

Einflussfaktoren auf die Löschwirkung von Schaum

Diese vier Parameter Schaummittel, Verschäumung, Wasserbeaufschlagung und Aufbringart machen den Löscherfolg aus. Sie können in Form eines Kreisdiagrammes dargestellt werden. Es verdeutlicht, dass der einzelne Faktor durch die übrigen kompensiert werden kann. [2]

Die optimale Einstellung der Parameter garantiert sowohl Löscherfolg als auch Effizienz. Wenn zukünftig AFFF als äußerst wirksames Schaummittel ausscheidet, muss der Leistungsunterschied durch andere Faktoren kompensiert werden. Es bleiben also als Optionen: die Erhöhung der Wasserbeaufschlagung, die Verbesserung der Verschäumung z.B. durch den Einsatz anderer Sprinkler[3] und die Veränderung der Schaumaufgabe, um den Schaum möglichst sanft aufzugeben.

Natürlich spielt auch das Schaummittel nach wie vor eine Rolle. Zur Zeit betreiben die Hersteller einen großen Aufwand bei der Entwicklung neuer fluorfreier Schaummittel und es vergeht kaum ein Monat, ohne dass ein Hersteller ein neues Schaummittel auf den Markt bringt. Aber das Schaummittel ist eben nur einer von vier Faktoren. Um gerade bei der Umstellung von bestehenden Anlagen auf fluorfreie Schaum- mittel den Aufwand möglichst gering zu halten, ist eine geschickte Kombination der vier Faktoren notwendig.

[2] Diese Darstellung ist übrigens vom sogenannten Sinnerschen Kreis inspiriert, der die Einflussfaktoren auf das Ergebnis beim Wäschewaschen darstellt.
[3] Standard-Schirmsprinkler liefern eine denkbar schlechte Verschäumung. Mit dem Wasserfilm bei AFFF war das sekundär, gewinnt nun aber an Bedeutung
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Brennbare Flüssigkeiten

Brennbare Flüssigkeiten stellen bei allen Anwendungen noch einmal eine ganz eigene Kategorie an Herausforderungen dar. Denn der Brennstoff hat einen starken Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Schaums. Das war im Prinzip schon immer der Fall, doch mit den zahlreichen Versuchen, die im Rahmen der Erprobung fluorfreier Schaummittel durchgeführt wurden, zeigte sich, wie groß dieser Einfluss sein kann. Insbesondere, wenn es sich um polare, also mit Wasser mischbare Flüssigkeiten handelt.

Ob dieser Effekt bei fluorfreien Schaummitteln stärker als bei AFFF ist oder das Thema Brennstoffabhängigkeit nun einfach nur mehr Aufmerksamkeit bekommt, sei dahingestellt. Fakt ist, dass es einige Brennstoffe gibt, die so schaumzerstörend wirken, dass sie nur mit deutlichen Anpassungen der vier Parameter wirksam bekämpft werden können.

Anlagen umrüsten und neu bauen

Wer eine bestehende Löschanlage umstellen will oder eine Löschanlage mit Zumischung von fluorfreiem Schaummittel neu baut, steht vor folgenden Herausforderungen: Zunächst einmal muss die Wirksamkeit der Löschanlage erhalten bzw. nachgewiesen werden. Dazu müssen gegebenenfalls die oben genannten Faktoren angepasst werden. Dazu kommen die Entsorgung und insbesondere Reinigung von Anlagenteilen, die weiter verwendet werden sollen, und einige weitere technische Themen.

Anlagen reinigen

Die Faktoren für die Wirksamkeit wurden oben beschrieben. Kommen wir zur Reinigung. Eine Reinigung des Systems ist aufgrund der sehr niedrigen geltenden Grenzwerte erforderlich. Würde man darauf verzichten, würden die Fluortenside aus den Restmengen des AFFF zu einer Grenzwertüberschreitung im neuen, eigentlich fluorfreien Schaummittel führen. Auf die Reinigung von PFAS-haltigen Löschanlagen haben sich bereits einige Firmen spezialisiert. Hier ist Expertise notwendig, um einerseits die niedrigen Werte zu erreichen, andererseits aber den Aufwand und das anfallende Spülwasser im Rahmen zu halten. Denn: Nach der Reinigung enthält das Spülwasser die PFAS. Es muss also entweder – genau wie das Schaummittel – verbrannt werden oder die PFAS müssen aus dem Wasser gefiltert oder abgeschieden werden.

Welchen Umfang die Reinigungs- maßnahmen haben müssen, muss ebenfalls bestimmt werden. Der Schaummitteltank, das Zumischsystem und die Leitungen, die das Konzentrat führen, sind in jedem Fall betroffen. Aber im schlimmsten Fall können auch Leitungen betroffen sein, die Premix enthalten. Spätestens an dieser Stelle ist wiederum eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sinnvoll, ob nicht der Ersatz bestimmter Komponenten gegenüber einer Reinigung günstiger ist.

Praktische Themen

Praktische Themen betreffen bei-spielsweise die Zumischung. Sie muss einerseits betrachtet werden, wenn bislang ein Schaummittel mit einer 1 %igen Zumischung verwendet wurde. Denn während bei AFFF die Entwicklung so weit vorangeschritten war, dass leistungsfähige 1 %ige Schaummittel verfügbar waren, ist dies bei fluorfreien Schaummitteln noch eine Seltenheit. Die Umstellung auf ein Schaummittel mit 3 % Zumischung heißt, dass ein neuer Zumischer erforderlich ist und der Schaummittelvorrat verdreifacht werden muss. Der mangelnde Platz in vielen Sprinklerzentralen führt also direkt zur nächsten Herausforderung.

Und noch ein Aspekt ist bei der Zumischung zu berücksichtigen: Fluorfreie Schaummittel haben oft eine deutlich höhere Viskosität. Und zusätzlich sind sie strukturviskos (man sagt auch pseudoplastisch oder scherverdünnend). Mit diesen Begriffen wird die Eigenschaft eines Mediums beschrieben, das bei steigender Scherrate (oder vereinfacht: steigender Fließgeschwindigkeit) dünnflüssiger wird. Bei sinkenden Temperaturen hingegen steigt die Viskosität. Um das Schaummittel pumpen zu können, ist mehr Leistung erforderlich und die ist je nach Auslegung der bisherigen Anlage im vorhandenen Zumischsystem unter Umständen nicht gegeben.

Stichwort sinkende Temperaturen: Zusätze, um das Schaummittel frostbeständig zu machen, können ihrerseits wieder die Viskosität des Schaummittels erhöhen. Deswegen verzichten viele Hersteller darauf, sie für sehr niedrige Temperaturen beständig zu machen. Waren früher –15 °C kein Problem, kann man heute froh sein, wenn das Schaummittel für –5 °C ausgelegt ist. In den beheizten Sprinklerzentralen stellt sich das Problem nicht. Aber es gibt auch immer noch Anwendungen, bei denen das Schaummittel widrigen Bedingungen wie z. B. Frost ausgesetzt ist.

VdS-Tipp

Den Weg hin zu fluorfreien Schaumlöschmitteln begleitet die Überarbeitung der Richtlinien VdS 3124 „Schaummittel – Anforderungen und Prüfmethoden“. Die brandphysikalischen Leistungsanforderungen an Schaummittel für den Einsatz in Löschanlagen wurden dabei in die neuen Richtlinien VdS 3896 „Wirksamkeits-Nachweise für Schaummittel“ ausgegliedert. Die Richtlinien VdS 3124 und VdS 3896 stehen unter vds-shop.de zum Download bereit. Unsere QR-Codes führen Sie direkt dorthin:

Warum werden AFFF eigentlich verboten?

Was führt überhaupt dazu, dass wir vor dieser Herausforderungen stehen? Die problematischen Stoffe im AFFF werden PFAS genannt, das sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen. Das ist eine Gruppe aus über 4.700 chemischen Stoffen, die problematisch für die Umwelt sind, da sie äußerst stabil (man sagt auch „persistent“) sind, sich in der Nahrungskette anreichern können und teilweise gesundheitsschädlich sind. Sie kommen nicht natürlich vor, sondern werden industriell hergestellt.

Gerade die Persistenz macht vielen Sorgen. PFAS werden daher manchmal auch als „Ewigkeits-Chemikalien“ bezeichnet. Durch Produktion und Einsatz dieser Stoffe gelangen sie in die Umwelt. Die gesundheitsschädlichen Wirkungen wurden erst nach Jahrzehnten bekannt, sodass die Stoffe bereits allgegenwärtig sind. Selbst in unbesiedelten Gebieten wie der Arktis werden sie gefunden. Über Nahrungsmittel und Trinkwasser werden sie auch von Menschen aufgenommen und reichern sich im Körper an.

Wieviel Zeit bleibt noch?

Diese PFAS werden nun verboten. In der EU, aber auch weltweit. Allerdings schrittweise und zumindest bislang auch nur auf der Basis von Einzelsubstanzen oder bestimmten Untergruppen. Das bringt gleich die nächste Schwierigkeit mit sich: Man muss nämlich klären, welches Schaummittel betroffen ist und wieviel Zeit noch bleibt. Ein generelles Verbot von PFAS in Schaummitteln[4] ist auf EU-Ebene in Arbeit, wird aber erst für 2024 erwartet. Bislang gilt: Es sind die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), die Perfluooctansäure (PFOA) und langkettige Perfluorcarbonsäuren (C9-C14 PFCA) reguliert.[5] All diese Stoffe können in Schaummittel enthalten sein, aber ob die Grenzwerte überschritten sind oder nicht, lässt sich nicht pauschal anhand des Schaummitteltyps oder des Produktnamens feststellen. Nur eine Laboranalyse bringt hier wirklich Aufschluss. Als Faustformel lässt sich festhalten, dass ein Schaummittel, das vor 2015 hergestellt wurde, von den Verboten eher betroffen ist als ein neueres Schaummittel. Denn: Es gibt tatsächlich auch AFFF, die von den bisherigen Verboten nicht betroffen sind und alle Grenzwerte einhalten. Die Hersteller setzen in diesen Schaummitteln PFAS ein, die (noch!) nicht reguliert sind.

Das Ende der AFFF kommt mit einer Übergangsfrist. Zurzeit laufen die Übergangsfristen für PFOA und C9- C14 PFCA. Sind deren Grenzwerte im Schaummittel überschritten, dürfen sie noch bis zum 04.07.2025 eingesetzt werden.

Allerdings gilt das nur unter der Voraussetzung, dass das Löschwasser – bei regelmäßigen Prüfungen wie bei einer Auslösung der Löschanlage – aufgefangen und fachgerecht entsorgt wird.[6]

Und eine fachgerechte Entsorgung bedeutet eine Verbrennung in einer Sonderabfallverbrennungsanlage. 04.07.2025 – das bedeutet als Faustformel: Für die Umstellung von Löschanlagen, die vor 2015 errichtet wurden, bleiben noch knapp zweieinhalb Jahre Zeit. Das ist nicht viel, wenn man berücksichtigt, was in dieser Zeit zu schaffen ist. Bis dahin gilt übrigens eine Meldepflicht des Schaummittels, wenn der PFOA-Grenzwert überschritten ist. Besitzt man insgesamt mehr als 50 kg Schaummittel, so muss dies der Aufsichtsbehörde mitgeteilt werden.[7]

[4] Und übrigens auch ein weiteres für alle PFAS generell.
[5] Regulierungen der Perfluorhexansäure (PFHxA) und der Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) sowie deren verwandten Stoffe befinden sich zusätzlich in Vorbereitung
[6] Einen detaillierten und stets aktuell gehaltenen Artikel über das Verbot von PFAS in Schaummittel gibt es hier: https://epfire.de/pfas-verbot-in-schaummittel

[7] Alle Details dazu findet man in diesem Artikel über die Meldepflicht PFOA-haltiger Schaummittel:
https://epfire.de/meldepflicht-pfoa-schaummittel

    Fazit

    Die Umstellung einer Löschanlage auf fluorfreie Schaummittel ist mehr als ein Tausch des Schaummittels Alt gegen Neu. Der Erhalt und Nachweis der Wirksamkeit der Anlage unter Berücksichtigung der spezifischen Brennstoffe, die Wahl des Schaummittels und die Anpassung der Anlagenparameter, die Reinigung der Anlagenteile und natürlich die Umsetzung des Projekts erfordern einige Arbeit. Gemessen an diesem Aufwand bleibt dafür unter Umständen nicht viel Zeit. Denn je nachdem, welche PFAS im Schaummittel enthalten sind, könnte man schon Mitte 2025 von einem Verbot betroffen sein.

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