Teil 1: Geschichte des Sprinklers
Vom Baumwollfaden bis zur Glasampulle
Sprinkleranlagen sind heute ein wichtiger Baustein in zahlreichen Brandschutz- konzepten. Im kommenden Jahr feiert die Sprinkler- technik ihr 150-jähriges Bestehen – wir werfen einen Blick auf die Historie.
Text: Hans Altmeyer, VdS Schadenverhütung GmbH
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trafen mehrere Entwicklungen zusammen, die neue Ansätze im Brandschutz erforderlich machten. Zum einen führte die Industrialisierung zur Entstehung großer Gewerbebetriebe mit einer hohen Konzentration von Menschen und Sachwerten auf kleinem Raum. Zum anderen brachte die zunehmende Elektrifizierung neue Gefahrenquellen mit sich.
Diese Situation führte zunächst dazu, dass in US-amerikanischen Webereien erste automatische Löschanlagen installiert wurden. Dabei verliefen durch die Produktionsräume wasserführende Rohre, die in bestimmten Abständen mit Öffnungen versehen waren. Die Öffnungen waren mit Deckeln verschlossen, die von Baumwollfäden an ihrem Platz gehalten wurden. Brach nun ein Feuer aus, brannten die Fäden durch und gaben die Öffnungen frei – das Löschwasser floss. Dieses Konzept hatte seine Schwächen: Die Baumwollfäden mussten von den Flammen erreicht werden, damit sie durchbrannten, sie lösten also oft erst dann aus, wenn die Räume bereits im Vollbrand standen. Außerdem war es nur schwer möglich, die Auslösecharakteristik der Löschvorrichtungen an die Bedingungen im Betrieb anzupassen. Und schließlich konnte Baumwolle verrotten und das Löschwasser ungewollt freigeben.
Diese Mängel erkannte auch der amerikanische Industrielle Henry S. Parmelee (1846–1902), der Klaviere produzierte, also in einer Branche tätig war, in der große Mengen Holz verarbeitet wurden und eine erhebliche Brandlast darstellten und in der zugleich regelmäßig Metall bearbeitet werden musste, was durch Funkenflug eine stetig präsente Entzündungsquelle schuf.
Parmelee entwickelte deshalb eine Konstruktion, bei der die Auslässe der Rohre durch das Schmelzen einer Metall-Legierung freigegeben wurden, die sich bei einer Temperatur von 150 bis 200 °F, also etwa 65 bis 93 °C verflüssigte. Dies bot klare Vorteile. Je nach Zusammensetzung des Schmelzlots ließ sich die Auslösetemperatur recht gut vorwählen und an die Verhältnisse im Betrieb anpassen. Zudem musste der Mechanismus nicht erst von Flammen erreicht werden, um auszulösen.
Parmelee berücksichtigte darüber hinaus auch Probleme, die sich bei Betrachtung der gesamten Anlage zeigten. So stellte etwa der Einbau nicht wärmeleitender Elemente im System sicher, dass die Kühlung durch das nunmehr fließende und nicht länger stagnierende Wasser benachbarte Sprinkler an der Auslösung hindern konnte, weil dort das Schmelzlot auf einem niedrigeren Temperaturniveau blieb. Auch die Auslösung eines akustischen Signals sah Parmelee vor.
Am 11. August 1874 wurde unter der Nummer 154,076 das US-Patent für Parmelees Erfindung erteilt – das Prinzip der modernen Sprinkleranlage war geboren.
Parmelee stattete als erstes das Gebäude seiner Mathushek Piano Manufacturing Co. mit Sprinklern aus, weitere folgten. Endgültig angeschoben wurde die Verbreitung der Sprinkler jedoch von den US-Versicherern, die bald den Nutzen der innovativen Technik erkannten und die Installation entsprechender Anlagen forcierten. 1881 begannen auch die Versicherungen in Großbritannien damit, die Errichtung von Sprinkleranlagen mit Nachlässen auf die Versicherungsprämien zu honorieren.
In Deutschland begann sich die Technik ab 1884 zu etablieren – zunächst in Mühlen und in textilverarbeitenden Betrieben. Hierzulande unter dem Begriff „Feuerlöschbrause“ bekannt, verbreiteten sich Sprinkler wie im anglo-amerikanischen Raum damals vor allem in großen Industriebetrieben.
Auch hier waren Versicherungen eine treibende Kraft. Der Verband Deutscher Privat-Feuerversicherungs- Gesellschaften beauftragte im Jahr 1900 Hugo Junkers, seinerzeit Professor für Thermodynamik an der Königlichen Technischen Hochschule Aachen, mit der Erstellung eines Gutachtens über die unterschiedlichen damals realisierten Sprinklersysteme. Aktiv in der Erforschung der Technik war auch die Aachener und Münchener Feuerversicherung, die ihren Oberinspektor Dr.-Ing. Hofferichter nach Großbritannien entsandte, um vor Ort den praktischen Einsatz von Sprinkleranlagen zu studieren – 1901 veröffentlichte er seinen Bericht „Über automatische Feuerlöschbrausen“, der für die mit der Materie befassten Versicherungen wegweisend war. Mit den Versicherern im Rücken war der Siegeszug der Sprinklertechnik nicht mehr aufzuhalten: Waren um 1900 etwa 50 Sprinkleranlagen in Deutschland installiert, zählte man 1909 bereits 80 und 1912 dann 200 Anlagen.
Mit der wachsenden Zahl von Sprinkleranlagen wuchs auch die Erkenntnis, dass Sprinkler überprüft und gewartet werden müssen. Diese Aufgabe lag zunächst in der Hand von sechs Sprinklerherstellern, die von den Feuerversicherungs- Gesellschaften zu regelmäßigen Inspektionen ihrer Anlagen verpflichtet wurden. Damit oblag den Herstellern die Überwachung ihrer eigenen Produkte – das konnte bestenfalls eine Übergangslösung sein.
Auf seiner Generalversammlung im Jahr 1904 beschloss der Verband Deutscher Privat-Feuerversicherungs- Gesellschaften deshalb die Gründung einer Sprinkler-Kommission. Die in Berlin ansässige Kommission sollte herstellerunabhängige Standards für die Konstruktion, die Installation, die Abnahme und die regelmäßigen Prüfungen von Sprinkleranlagen erarbeiten.
Dieser Auftrag wurde mit entsprechenden, am 01.04.1906 veröffentlichten Vorschriften erfüllt. Zugleich setzten die Versicherer allgemeine Rabattsätze fest, die bei Installation einer Sprinkleranlage auf die Versicherungsprämien gewährt wurden.
Im selben Jahr wurde an der Königlichen Technischen Hochschule in Aachen ein Sprinklerlaboratorium eingerichtet, in dem Anerkennungsprüfungen für Sprinkler nach den Richtlinien der Kommission durchgeführt wurden.
Bald darauf, im Jahr 1908, erschienen die „Vorschriften für den Sprinklerüberwachungsdienst“, zugleich wurde die Sprinklerüberwachungsstelle der privaten Feuerversicherer gegründet – der direkte Vorläufer der Technischen Prüfstelle bei VdS. Deren Rolle beim Einsatz und der Verbreitung von Sprinkleranlagen werden wir in der nächsten Folge näher betrachten.
Die technische Entwicklung der Sprinkler selbst blieb indes ebenfalls nicht stehen. Parmelee hatte ein durchdachtes Funktionsprinzip geschaffen, die Sprinkler boten aber noch Raum für technische Detailverbesserungen. Das erkannte unter anderem Frederick Grinnell (1836–1905), der bereits in der Fertigung von Brandschutztechnik aktiv war. Er erwarb eine Lizenz für Parmelees Konstruktion und verbesserte dann unter anderem die Auslösevorrichtung und die Wasserverteilung durch die einzelnen Sprinklerköpfe.
Der größte Wurf gelang ihm jedoch, indem er die Schmelzlot-Vorrichtung durch eine Glasampulle ersetzte. In der Ampulle befand sich eine Flüssigkeit auf Basis von Glycerin, die bei einer definierten Temperatur durch den steigenden Innendruck zerbarst und so den Auslass für das Löschwasser freigab. Nach diesem Prinzip arbeiten Sprinklerköpfe heute noch.
Anders als beim Schmelzlot wird die Auslösetemperatur nicht durch die Zusammensetzung der Flüssigkeit definiert, sondern durch die Größe der Luftblase, die sich in der Ampulle befindet. Luft lässt sich im Unterschied zur Flüssigkeit komprimieren. Mit steigender Temperatur wird die Luftblase also zusammengedrückt, bis schließlich der dafür erforderliche Druck höher wird als der Berstdruck, der die Ampulle zum Platzen bringt. Je kleiner die Luftblase ist, desto eher wird diese Situation erreicht.
Auf diese Weise lassen sich die Auslösetemperaturen für Sprinkler recht exakt an die im jeweiligen Einsatzszenario üblichen Umgebungsbedingungen anpassen und eine Erwärmung in einer gewissen Schwankungsbandbreite führt nicht zu Fehlauslösungen. In der Regel wird erst dann ausgelöst, wenn die Temperatur an der Ampulle etwa 30 °C über der unter normalen Betriebsbedingungen maximal erwartbaren Temperatur liegt. Um Fehlgriffe bei der Installation zu vermeiden, ist die Flüssigkeit in der Ampulle je nach Auslösetemperatur unterschiedlich gefärbt.
Auch die Anlagentechnik entwickelte sich weiter. So erlauben es heute sogenannte Trockenanlagen, Sprinkler auch in frostgefährdeten Bereichen einzusetzen. Die Zuflussrohre zu den Sprinklerköpfen sind dort mit Druckluft gefüllt. Wenn ein Sprinkler auslöst, detektiert die Anlage den Druckabfall und füllt die Leitungen erst dann mit Wasser.
In ihrer modernen Form konnten Sprinkler dank der sehr flexiblen Installationsmöglichkeiten bald weitere Einsatzgebiete erobern. Waren zunächst vor allem Industriebetriebe gesprinklert, kamen mit der Zeit öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser, Pflegeheime oder Einkaufszentren hinzu.
Zuweilen waren es große Brandkatastrophen, die den Bedarf für eine Sprinkleranlage offensichtlich werden ließen. So führte der verheerende Brand im Flughafen Düsseldorf am 11. April 1996 mit 17 Todesopfern dazu, dass die großen deutschen Flughäfen in der Folge mit Sprinkleranlagen ausgerüstet wurden. Ähnlich in den Niederlanden, als am 27. Oktober 2005 eine Haftanstalt in Schiphol bei Rotterdam brannte und 11 Menschen ums Leben kamen – danach erhielten viele niederländische Gefängnisse Sprinkleranlagen.
Häufig sorgt allerdings heute auch das Baurecht für den Einbau von Löschanlagen – und nicht zuletzt Verantwortungsbewusstsein und Vernunft der Bauherren.