Versuchsmethoden und praktische Brandversuche
Auslegung einer Sauerstoff-Reduzierungsanlage
Anders als bei den automatischen Feuerlöschanlagen, die auf bereits ausgebrochene Brände reagieren, schließt ein aktives Brandvermeidungssystem durch Reduktion des Sauerstoffanteils im zu schützenden Bereich Brände von vornherein aktiv aus.
Text: Heike Siefkes, VdS Schadenverhütung GmbH, Produktgruppenleiterin für Gas- und Sonderlöschanlagen im Produktmanagement der Technischen Prüfstelle
Das Brandvermeidungssystem besteht dabei im Wesentlichen aus dem Stickstofferzeuger, den Sauerstoffsensoren sowie einer Steuer- und Regeleinrichtung. Sensoren messen kontinuierlich den Sauerstoffgehalt im Schutzbereich. Über die Auswertung in der Steuer- und Regeleinrichtung wird beim Erreichen einer festgelegten Sauerstoffkonzentration die Stickstoffzufuhr unterbrochen. Diese wird erst wieder eingeleitet, wenn die Sauerstoffkonzentration beispielsweise durch Entnahme oder Einlagerungsvorgänge wieder ansteigt.
Die jeweilige für den Brandstoff notwendige Restsauerstoffkonzentration, die sogenannte Entzündungsgrenze, muss dafür in Versuchen ermittelt werden. Dabei gilt, dass die Entzündbarkeit eines Brandstoffs in direktem Zusammenhang mit der Sauerstoffkonzentration in der Umgebungsluft steht und diese mit der Abnahme der Sauerstoffkonzentration sinkt. Wird der Sauerstoffgehalt in der Raumluft reduziert, ist wesentlich mehr Energie erforderlich, um einen Brandstoff zu entzünden. Die für das Entzünden benötigte Energie ist höher als die zum Aufrechterhalten eines Brandes. Die Absenkung der Sauerstoffkonzentration bewirkt daher eine entscheidende Verlangsamung der Geschwindigkeit der chemischen und physikalischen Abläufe bei einem Brand.
Versuchsmethoden
Immer wieder wird diskutiert, welche die geeignete Versuchsmethode zur Ermittlung der Entzündungsgrenzen ist. Ansätze wie die Versuchsmethode nach ISO 4589-2 „Bestimmung des Brennverhaltens durch den Sauerstoff-Index“ wurden schnell verworfen.
Bewährt haben sich Versuchsszenarien mit festen und flüssigen Brandstoffen in Anlehnung an die international akzeptierten Versuchsmethoden der ISO 14520, um die entsprechenden Entzündungsgrenzen zu ermitteln. Dieser Ansatz findet sich außer in der VdS 3527 auch in der europäischen Norm für Auslegung, Einbau, Planung und Instandhaltung EN 16750 und weiteren nationalen Richtlinien in verschiedenen Ländern. Diese Versuche haben sich als praktikabel und reproduzierbar herausgestellt.
Die Versuchsszenarien sind keine 1:1-Versuche, spiegeln aber die tatsächlichen Einlagerungskonfigurationen, also inkl. Verpackung und gegebenenfalls Lagerhilfen, wie z.B. Paletten. Ebenfalls beachtet werden bei diesen Versuchsszenarien die Umgebungsbedingungen der realen Situation im Schutzbereich. Dafür wird die Atmosphäre im Versuchsraum auf die entsprechende Temperatur eingestellt.
Mit der Veröffentlichung von Versuchsergebnissen durch FM Global „Evaluation of Oxygen Reduction Systems (ORS) in Large Scale Fire Tests“ kommt es immer wieder zu Diskussionen, inwieweit die bis dato verwendeten Versuchsmethoden ein entsprechendes Risiko wirklich abdecken. Grund hierfür sind die in dem technischen Bericht von FM Global gelisteten Restsauerstoffkonzentrationen, die teilweise von den bereits veröffentlichten Werten in unterschiedlichen Richtlinien und Normen abweichen.
Somit stellt sich nun die Frage, wie es zu den unterschiedlichen Konzentrationen bei vermeintlich gleichen Materialien kommen kann. Vergleicht man die Versuchsszenarien von VdS und FM Global, fällt als erstes die Versuchsgröße selbst auf. Auch wenn FM Global die Versuche für Lagerrisiken mit Kartonagen in einem großen Maßstab durchgeführt hat, ist dies nicht ursächlich für die abweichenden Ergebnisse der notwendigen Sauerstoffkonzentrationen. Eine genaue Betrachtung der durchgeführten Versuche zeigt, dass der Ansatz und die damit verbundenen Rahmenbedingungen unterschiedlich sind, die zu den unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben.
Begriffe und Definitionen
Beginnend bei den Definitionen sind die ersten Unterschiede erkennbar. Die Definition eines Sauerstoffreduktionssystems (ORS) im FM Global-Werk ist ein Brandschutzsystem, das aufgrund der sauerstoffreduzierten Atmosphäre das Risiko der Brandentwicklung und Brandausbreitung verringert oder sie verhindert. Das in den VdS- Richtlinien beschriebene Konzept hingegen beschreibt die Rahmenbedingungen, die die Ausbreitung von Bränden verhindern.
Ein weiterer Punkt bei der Analyse des Prüfberichts ist das Ergebnis selbst und wie es für die weitere Interpretation in einem Sauerstoffreduzierungssystem verwendet wird. Die hier verwendeten Begrifflichkeiten sind unterschiedlich und werden dennoch miteinander verglichen. Gemäß FM ist der entscheidende Parameter für Sauerstoffreduzierungssysteme die Limiting Oxygen Concentration (LOC), definiert als die niedrigste O2-Konzentration, die die Verbrennung für einen bestimmten Brandstoff unterstützen kann.
VdS hingegen verwendet die Begriffe Auslegungskonzentration (CA) und Entzündungsgrenzen (EZG), wobei die Auslegungskonzentration die Entzündungsgrenze abzüglich eines Sicherheitsfaktors ist. Die Entzündungsgrenze selbst ist wie folgt definiert: Maximale Sauerstoffkonzentration in einem Gemisch eines brennbaren Stoffes mit Luft und Stickstoff, in dem eine Entzündung nicht auftritt, bestimmt unter festgelegten Versuchsbedingungen.
Somit sind die LOC und die EZG in Bezug auf die Definitionen ähnlich. Der entscheidende Unterschied im Ergebnis basiert jedoch auf der Definition von VdS mit „bestimmt unter definierten Prüfbedingungen“. Die Prüfbedingungen und Messkriterien unterscheiden sich stark von den Bedingungen bei den Versuchsszenarien und daher sind auch die Ergebnisse zu unterscheiden.
Rahmenbedingungen
Neben den Unterschieden in den Definitionen sind auch die Rahmenbedingungen der durchgeführten Versuche unterschiedlich und somit zu hinterfragen.
Die gewählten Versuche mit
- Kartonagen (Klasse 3, CUP und CEP) und
- unverpackten Materialien (UUP und UEP)
zeigen nur Anwendungen für Lager mit Palettenlagerung. Andere An- wendungen werden nicht beschrieben.
Die Grundlage für die Versuche selbst sind Prüfaufbauten gemäß dem Protokoll von FM Approvals, „Approval Standard for Automatic Control Mode Sprinklers for Fire Protection“.
Die identischen Prüfaufbauten und Entzündungsmethoden aus Versuchsprotokollen von Sprinkleranlagen sollen einen direkten Vergleich von Sauerstoffreduzierungsanlagen und Sprinkleranlagen herstellen, werden aber der spezifischen und unterschiedlichen Art der Brandentwicklung bei sauerstoffreduzierter Atmosphäre nicht gerecht.
Unterschiede zu Sprinkleranlagen
Bei Sprinkleranlagen ist es notwendig, dass nach den Entzündungen eine gewisse Brandentwicklung erfolgen muss, da sonst keine Aktivierung der Sprinkler erfolgen kann.
Eine Sauerstoffreduzierungsanlage ist immer aktiv. Die konstant sauerstoffreduzierte Atmosphäre wirkt somit ab dem ersten Funken. Ist der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre reduziert, ist zudem wesentlich mehr Energie erforderlich, um den Brandstoff zu entzünden.
Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, dass ein Vollbrand entstehen kann, wie es in den Versuchen bei Sprinkleranlagen vorausgesetzt wird.
Wahl der Zündquelle
Daher sind die gewählte Zündquelle bzw. die Zünddauer kritisch zu betrachten. Als Zündquelle wird ein Propanbrenner mit einer Leistung von 33 kW verwendet. Er soll eine externe Wärmequelle wie einen Lichtbogen oder Heißarbeiten simulieren.
Dieser Zustand mit der hohen Wärmefreisetzungsrate und den entsprechenden Temperaturen ist typisch für einen Vollbrand und repräsentiert somit keinen Brand in einem Raum, der durch eine Sauerstoffreduzierungsanlage geschützt ist.
Beflammungsdauer
Ein weiterer Punkt ist die Beflammungsdauer. Wird bei den Versuchen der Brenner nach 55 Sekunden abgeschaltet, was mit der Brenndauer von 60 Sekunden gemäß VdS 3527 vergleichbar ist, wird der Brand in kurzer Zeit gelöscht und es erfolgt keine weitere Brandausbreitung. Die Wärmefreisetzungsrate sinkt dabei von 250 auf 24 kW. Somit belegen die FM-Versuche, dass in einer sauerstoffreduzierten Atmosphäre eine Brandausbreitung ohne externe Brandquelle erlischt. Bei einer Vorbrennzeit von 210 Sekunden dagegen beträgt die maximale Wärmefreisetzungsrate 870 kW, was einem Vollbrand gleicht, und bleibt länger als 2 Minuten über 600 kW, was keiner Löschung entsprechen würde.
Zufuhr von Sauerstoff und Stickstoff
Ein weiterer kritischer Punkt innerhalb des Versuchsszenarios ist die Sauerstoff-Stickstoff-Zufuhrmenge. Die gewählte 5-fache Rate des stöchiometrischen Wertes stellt ebenfalls keinen durch eine Sauerstoffreduzierungsanlage geschützten Raum dar, in dem die Sauerstoffkonzentration im geschützten Raum konstant niedrig ist. Durch die Zufuhr dieser Luftmischung direkt unter der Brandquelle ist die Sauerstoffkonzentration in der Nähe des Zündpunktes bzw. der Flammen im Vergleich zum Rest des Raumes höher. (Effekt des „Einblasens in das Feuer“). Auch dies steht im Widerspruch zu der realen Situation des sich selbst erhaltenden Feuers: Selbst in einem „unendlichen“ Lager mit reduzierter Sauerstoffatmosphäre ist die Luftzufuhr nicht konstant, sondern entwickelt sich je nach Brandverhalten.
Versuchsreihe mit Kartonagen
Trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen werden die im Versuch für die verschiedenen Verpackungen ermittelten LOC mit den von VdS für einzelne Materialien ermittelten Auslegungskonzentrationen verglichen, die nicht in den VdS-Richtlinien gelistet waren. Aus diesem Grund hat VdS eine Versuchsreihe mit Kartonagen durchgeführt.
In der Versuchsreihe wurden verschiedene Kartonagen in verschieden Stärken und Welleneinteilungen verwendet. Um einen Einfluss des Lagermaterials selbst auszuschließen, wurden die Kartons mit Kunststoffbechern gefüllt. Bei den Kunststoffbechern handelte es sich um „European Standard Cups“ aus ungeschäumtem Polystyrol (PS), wie sie auch in anderen, international anerkannten Versuchsszenarien verwendet werden.
In diesen Versuchen wurden die Entzündungsgrenzen für Kartonage bestätigt. Auch die Versuchsreihen – vom Aufbau her den FM-Versuchen vergleichbar –, die den „Kamineffekt“ nachbilden sollten, haben die Konzentration der Entzündungsgrenze bestätigt. Das Schadenbild war jedoch deutlich größer als bei der einseitigen Beflammung in der ersten Versuchsreihe mit der identischen Kartonage.
Ergebnisse
Der LOC für Kartonagen in den FM- Versuchen (Klasse 3, CUP und CEP) bei einer Dauerbeflammung ist mit 11,1 Vol.-% ermittelt worden und ist damit identisch der Löschkonzentration nach der Planungs- und Installationsrichtlinien VdS 2380 für Gaslöschanlagen. Dies bestätigt, dass das Versuchsszenario mit der Brandlast und der Beflammung nicht einem realistischen Brandverhalten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre entspricht, da der Brand gelöscht werden muss und nicht in der Entstehungsphase unterdrückt wird.
Vergleicht man die Versuchsergebnisse für Karton (Klasse 3, CUP und CEP und UUP und UEP) bei Abschaltung der Beflammung, sind diese ähnlich zu Werten, die nach dem Versuchsprotokoll für Entzündungsgrenzen bei Sauerstoffreduzierungsanlagen von VdS ermittelt wurden.
Neben den Entzündungsgrenzen für Kartonagen werden auch LOC für PPMA, Polyethylen, Methanol und Ethanol in dem Bericht von FM Global gelistet. Betrachtet man die Konzentration für Kunststoffe und Schaumstoffe, so ist die Auslegungskonzentration bei VdS sogar niedriger als auf Basis der FM-Versuche.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die im Bericht beschriebenen Versuche durch FM Global und deren Ergebnisse nicht mit veröffentlichten Werten aus Normen und Richtlinien vergleichbar sind. Insbesondere, da der Versuchsaufbau und die Durchführung mit den Prametern wie der Sauerstoffzufuhr und der Beflammungsdauer nicht denen in einer durch eine Sauerstoreduzierungsanlage geschützten Bereich entsprechen.
Sowohl die theoretische Betrachtung der Verbrennungsabläufe bei sauerstoffreduzierter Atmosphäre als auch eine Vielzahl von durchgeführten Versuchen unter real vergleichbaren Bedingungen zeigen, dass bei einer Restsauerstoffkonzentration von um die 15 Vol.-% die Brandentstehung bzw. eine Brandausbreitung vermieden werden kann. Ähnlich wie bei der Löschgaskonzentrationsermittlung sind dafür keine 1:1-Versuche notwendig.
Vielmehr ist es notwendig, bei kleineren Versuchen eine Skalierung und entsprechende Sicherheitszuschläge zu berücksichtigen, wie es auch bei Gaslöschanlagen und deren Versuchsmethoden zur Ermittlung der Löschgaskonzentration der Fall ist.
Die in Versuchen zu ermittelnde Restsauerstoffkonzentration und entsprechende Sicherheitsfaktoren sind ein wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Systems, setzen aber auch weitere Parameter wie die Zuverlässigkeit der Systembauteile und der Raumbeschaffenheit voraus. Somit ist neben den Versuchen zur Ermittlung der Entzündungsgrenzen auch die Prüfung der einzelnen Bauteile – insbesondere der Steuereinrichtung und der Sauerstoffsensoren – so wie deren Zusammenwirken im System wichtig für dn zuverlässigen Brandschutz bei Sauerstoffreduzierungsanlagen.