Aufgaben, Probleme, Lösungsstrategien
Was machen eigentlich Sachverständige?
Immer wieder gibt es Diskussionen und Missverständnisse darüber, was die Aufgaben einer/eines Sachverständigen sind. Im folgenden Artikel sollen die Aufgaben und Pflichten näher beleuchtet werden.
Text: Frank Bieber, VdS Schadenverhütung GmbH, stellv. Bereichsleiter der Technischen Prüfstelle
Um es vorwegzunehmen: Nicht alles ist klar geregelt und an diversen Stellen gibt es Unklarheiten oder die Gesetzeslage weicht stark von der gelebten Praxis ab. Das wird allein schon deutlich, wenn wir mit dem Begriff des/ der Sachverständigen beginnen. Wer ist das? Eine Person mit Sachverstand. Natürlich. Ansonsten ist dieser Begriff aber nicht geschützt. Jeder Mensch darf sich grundsätzlich als Sachverständige(r) bezeichnen, hier gibt es keine Anforderungen.
Anders sieht es bei Prüfsachverständigen aus. Beispielsweise ein „Prüfsachverständiger gemäß § 4 Abs. 1 der Prüfverordnung NRW (PrüfVO NRW) vom 24.11.2009 (GV NRW S. 723), in Kraft getreten am 28. Dezember 2009“, wie es im Anerkennungsbescheid des Autors, ausgestellt von der Bezirksregierung Düsseldorf, steht. Die Gesetzesgrundlage und somit die Formulierungen variieren in den einzelnen Bundesländern, aber grundsätzlich kennt jedes Bundesland eine(n) Prüfsachverständige(n) für verschiedene Fachrichtungen der Versorgungstechnik. Nachfolgend wird auf die Aufgaben der/des Sachverständige(n) für Feuerlöschanlagen eingegangen.
Was sind die Voraussetzungen für die Anerkennung als Prüfsachverständige(r)?
Generell muss man für die Anerkennung als Sachverständige(r) ein Igenieurstudium vorweisen. Sicherheitstechnik, Maschinenbau, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik und Versorgungstechnik sind hier klassische Studiengänge. Im Zweifel ist die Zulässigkeit des Studiums mit der im jeweiligen Bundesland für die Anerkennung zuständigen Stelle abzustimmen. Neben dem Studium sind fünf Jahre Berufserfahrung in der jeweiligen Fachrichtung nachzuweisen sowie eine ausreichende Haftpflichtversicherung, der Zugriff auf notwendige Messmittel und ein Führungszeugnis ohne relevante Eintragungen.
Sind diese formalen Voraussetzungen nachgewiesen, ist die fachliche Qualifikation durch ein Fachgutachten nachzuweisen. Diese Gutachten werden durch die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart oder die Brandenburgische Ingenieurkammer erstellt. Dabei akzeptieren nicht alle Bundesländer beide Stellen, in der Regel kann man jedoch selbst wählen, wo man die Prüfung ablegen möchte. Die Prüfung besteht dabei aus einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Teil.
Dabei ist die Prüfung kein Selbstläufer und es gibt durchaus relevante Durchfallquoten, welche die Dauer dieser Verfahren auf mehrere Jahre erhöhen kann. Nach erfolgter Prüfung kann dann die Anerkennung als Prüfsachverständige(r) im jeweiligen Bundesland erfolgen. Die einzelnen Bundesländer erkennen gegenseitig die Prüfsachverständigen an, sodass man das Verfahren nur einmal in dem Bundesland durchläuft, in dem man seine „Hauptwohnung, seine Niederlassung oder seine überwiegende berufliche Tätigkeit“ hat.
Hat man seinen Sachverständigenstatus einmal erlangt, erfolgt in den meisten Bundesländern die Aufnahme in eine öffentlich zugängliche Liste oder auch in eine Online-Datenbank. Im Folgenden sind die Maßnahmen zur Qualitätsüberwachung der einzelnen Bundesländer sehr unterschiedlich. Ggf. müssen regelmäßig Versicherungsbescheinigungen und/oder Prüfberichte eingereicht werden.
Was sind die Aufgaben der/des Prüfsachverständigen?
Nach erfolgter Anerkennung stellt sich die Frage nach Rechten und Pflichten. Je nach Bundesland sind automatische und nicht-automatische Löschanlagen vor Inbetriebnahme, nach wesentlicher Änderung und in regelmäßigen Abständen ( je nach Bundesland und Gewerk zwischen einem und sechs Jahren) zu prüfen. Was der/die Sachverständige bei den Prüfungen selbst macht, ist in den einzelnen Bundesländern in der Regel nicht festgelegt, es wird jedoch oft (nicht immer) auf die „Grundsätze für die Prüfung technischer Anlagen entsprechend der Muster-Prüfverordnung durch bauaufsichtlich anerkannte Prüfsachverständige (Muster- Prüfgrundsätze)“ verwiesen. Diese geben einen groben Rahmen über die Inhalte von Prüfung und Bericht.
Leider sind die Prüfgrundsätze nicht wirklich praxisgerecht. So gibt es beispielsweise bei den automatischen Löschanlagen inhaltlich keine Unterschiede zwischen einer Prüfung vor Inbetriebnahme und einer wiederkehrenden Prüfung. Dies geht natürlich völlig an der Praxis vorbei, denn man wird nicht bei jeder Prüfung wieder die gesamte hydraulische Berechnung prüfen, wenn sich an der Löschanlage nichts geändert hat. Auch kann man bei wiederkehrenden Prüfungen nicht alle Sprinkler kontrollieren, weil beispielsweise Zwischendecken oder Regalanlagen nicht vollständig zugänglich sind. Im Hinblick auf jüngere juristische Entscheidungen wird man sich mit diesen Grundsätzen auseinandersetzen müssen.[1] Ansonsten werden der Aufwand für Prüfungen und damit auch die Kosten sehr stark steigen müssen. Die Muster-Prüfgrundsätze legen die Verantwortung dabei klar fest: „Der Prüfsachverständige ist dafür verantwortlich, dass die an der einzelnen Anlage von ihm durchgeführten Prüfungen nach Art und Umfang notwendig und hinreichend sind.“
Grundsätzlich bewertet der/die Sachverständige durch einen Abgleich mit einer Prüfgrundlage die Wirksamkeit und Betriebssicherheit der Anlage.
Was können die Prüfgrundlagen sein?
Bei diesem Soll-/Ist-Abgleich ist es natürlich entscheidend, mit welcher Prüfgrundlage der Abgleich erfolgt. Die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) verweist im Anhang 14 als Standard auf die EN 12845 : 2020-11. Hier wird scheinbar auf ein aktuelles Regelwerk verwiesen. Jedoch ist die Norm technisch völlig veraltet. Beispielsweise ist das Brandverhalten von Kunststoffen nur unzureichend berücksichtigt. Aktuell wird auf europäischen Ebene im CEN TC 191/ WG5/TG2 eine neue Norm erarbeitet. Diese wird im Vergleich zur aktuellen Version einen qualitativen Quantensprung darstellen. Jedoch ist mit einer Veröffentlichung nicht vor 2026 zu rechnen.
Aufgrund der inhaltlichen Defizite sollte aus Sicht des Verfassers die aktuell gültige DIN EN 12845 nicht als Prüfgrundlage herangezogen werden. Die MVV TB sieht aber auch die Möglichkeit vor, im Brandschutznachweis andere Prüfgrundlagen zu benennen. Beispielhaft werden hier die CEA 4001, FM Global Data Sheets sowie die VdS CEA 4001 genannt. Mit Datum vom 17.04.2023 und Druckfehlerberichtigung vom 10.05.2023 ist eine neue MVV TB veröffentlicht worden.[2] In dieser wurden einige – jedoch nicht alle – Fehler und Unklarheiten korrigiert. In den Bundesländern muss die MVV TB aber erst in eigene Verordnungen übernommen werden. Derzeit gilt in den meisten Bundesländern die MVV TB aus 2021. Abgesehen von der DIN EN 12845 handelt es sich bei den in der Muster-Verwaltungsvorschrift genannten Prüfgrundlagen um privatrechtliche Prüfgrundlagen, die ihren Ursprung im Versicherungsumfeld haben. Da sich Versicherungen für ihren Risikotransfer schon viel länger mit der Wirksamkeit von Löschanlagen befassen als das Baurecht, kann der Ursprung dieser Regelwerke nicht als Nachteil angesehen werden.
[1] Siehe dazu: Claas Baier, „Saunabrand: überraschendes Gerichtsurteil“, s+s report 4/2022, S. 26 ff
[2] Siehe dazu: s+s report 2/2023, S. 22 f
Wie bestätige ich nun als Sachverständige(r) die Wirksamkeit einer Anlage?
Im Wesentlichen erfolgt durch die/ den Prüfsachverständige(n) ein Abgleich zwischen der Prüfgrundlage und der installierten Anlage. Auch wenn der/die Prüfer/in in der Regel nicht persönlich weiß, ob eine Prüfgrundlage wirksam ist, so sind die oben angegebenen Normen und Richtlinien als Stand der Technik anzusehen (evtl. eingeschränkt bei der DIN EN 12845, s. o.) und die/der Sachverständige kann davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Regelwerke die Wirksamkeit und Betriebssicherheit bestätigt werden kann. Wichtig ist, dass im genehmigten Brandschutznachweis oder der Bauauflage klar benannt wird, nach welchem Regelwerk die Anlage geplant und errichtet werden muss.
Werden bei der Prüfung Abweichungen zur Prüfgrundlage festgestellt, so sind diese im Prüfbericht zu dokumentieren und ggf. Fristen zur Beseitigung festzulegen. Hier haben die einzelnen Bundesländer sehr unterschiedliche Anforderungen, wie mit Mängeln umgegangen wird. Auch wurde schon vor Gericht einem Sachverständigen zur Last gelegt, dass er sich an die von der obersten Bauaufsicht des Bundeslandes vorgegebene Mangelklassifizierung gehalten hat. Dieses Thema bietet genug Stoff für einen eigenen Artikel.[3]
[3] Siehe dazu: Claas Baier, „Saunabrand: überraschendes Gerichtsurteil“, s+s report 4/2022, S. 26 ff
Wenn die Regelwerke keine Lösungen bieten
Es gibt jedoch immer wieder Bauvorhaben, bei denen die Gegebenheiten die Planer vor Herausforderungen stellen. Beispielsweise bei der Lagerung brennbarer Flüssigkeiten bieten ggf. alle zuvor genannten Regelwerke keine Lösungen zur Auslegung der Löschanlage.
Hier sind dann erfahrene Planer/in- nen oder Konzeptersteller/innen erforderlich. Es werden in Anlehnung an verschiedene Regelwerke Löschanlagenkonzepte entwickelt. So entstehen oft qualitativ hochwertige Konzepte, die nach bestem Wissen und Gewissen erstellt wurden. Dass gelegentlich der Kostendruck Treiber bei den Lösungen der Löschanlagenkonzepte ist, darf auch nicht unerwähnt bleiben. Ob kosten- oder wirksamkeitsoptimiert, die Löschanlagenkonzepte werden als Teil des Brandschutzkonzeptes mit dem Bauantrag eingereicht und durch die untere Bauaufsichtsbehörde genehmigt (Verfahren nach Bundes-Immissionsschutzgesetz etc. bleiben hier unerwähnt). Dem Verfasser sind nur sehr vereinzelte Fälle bekannt, in denen seitens der genehmigenden Behörde Ausführungen im Löschanlagenkonzept beanstandet wurden. In aller Regel werden die Konzepte genehmigt.
Was macht nun der/die abnehmende Sachverständige? Das genehmigte Löschanlagenkonzept wurde umgesetzt und im Prüfbericht soll er/sie gemäß Muster-Prüfgrundsätzen nun die „Wirksamkeit und Betriebssicherheit“ bescheinigen. Hier kann sich ein Dilemma ergeben, wenn das (baurechtlich genehmigte) Löschanlagenkonzept durch den/die Sachverständige(n) fachlich nicht bewertet werden kann. Es kann natürlich bescheinigt werden, dass die Bauauflage umgesetzt wurde. Aber ist das dann auch wirksam? Es gibt Aussagen von obersten Bauaufsichten, dass der/die Sachverständige das Konzept nicht zu hinterfragen hat, denn wenn es genehmigt wurde, dann muss es ja richtig sein.
Der Autor selbst hat erlebt, dass ein Hochregallager mit halbstationärer Sprinkleranlage im Bereich einer kleineren Freiwilligen Feuerwehr genehmigt wurde. Die Pumpenleistung der Feuerwehr passte nicht im Geringsten zum Wasserbedarf der Löschanlage. Es war aber alles genehmigt (inkl. Zustimmung der Feuerwehr). Der Verfasser hat die Prüfung dieses Projektes abgelehnt.
Aber auch bei sehr guten Löschanlagenkonzepten, in denen viele Überlegungen stecken, kann der/die Prüfsachverständige nicht sicher sagen, ob die Löschanlage am Ende wirksam ist.
Probieren wir es aus
Eine Möglichkeit, allen Beteiligten mehr Sicherheit zu geben, ist die Nutzung zertifizierter Schutzkonzepte bzw. die Durchführung von projektbezogenen Wirksamkeitsnachweisen.
VdS bietet mit der Richtlinie „VdS 3115 – VdS-Anerkennung von neuen Schutzkonzepten“ (kostenlos im VdS-Webshop) ein Verfahren, mit dem Schutzkonzepte bewertet werden können. In diesem Verfahren können Konzepte geprüft und Abweichungen zu den einschlägigen Regelwerken bewertet werden.
So haben verschiedene Logistikanbieter Löschanlagenkonzepte für ihre Lagersysteme zertifizieren lassen, da die einschlägigen technischen Regelwerke selbst für ihre innovativen Lösungen keine Konzepte bieten. Im Zweifel müssen die Lösungen durch Wirksamkeitsnachweise (Brandversuche) getestet werden.[4] Einmal zertifiziert, kann die Lösung dann (natürlich unter Berücksichtigung aller definierten Randparameter) an verschiedenen Standorten genutzt werden. Der/ die abnehmende Sachverständige weiß dann natürlich auch nicht, ob das Konzept wirksam ist. Der Verweis auf ein zertifiziertes Schutzkonzept wird jedoch immer eine hohe Akzeptanz haben.
Neben der Zertifizierung eines Konzeptes besteht auch die Möglichkeit, projektbezogen Wirksamkeitsnachweise durchzuführen. Dies können Sprühversuche (ohne Feuer) zur Bewertung besonderer Situationen sein oder auch Brandversuche in verschiedenen Größen.
[4] Siehe dazu: Frank Ruland, „Schutzkonzept auf Basis einer Sprinkleranlage nach VdS CEA 4001“, s+s report 2/2020, S. 16 ff
Zum Schluss
Immer wieder hört man, dass gewisse Festlegungen der/die Sachverständige treffen soll. Er/sie solle sagen, wie man es möchte. Ganz klar bleibt festzuhalten, dass ein(e) Sachverständige(r) keine planerischen Aufgaben wahrnehmen darf. Wird beispielsweise im Brandschutzkonzept eine Löschanlage nach Vorgaben vom FM Global gefordert, so muss auch beschrieben werden, wie die Wasserversorgung aussieht. Dies regeln die Datenblätter von FM Global nicht. Und bei Anlagen nach DIN EN 12845 muss darüber hinaus auch etwas zur Qualität der Bauteile und Qualifikation der Errichterfirma gesagt werden. Die oben bereits erwähnte neue Version der MVV TB hat diese Position nochmal gestärkt, denn im Anhang 14 heißt es jetzt unter 10.4.1 explizit: „Alle notwendigen Angaben sind im Brandschutznachweis darzustellen.“ Natürlich ist es sinnvoll, vor allem bei größeren Projekten, den/die abnehmende(n) Sachverständige(n) frühzeitig in die Konzepterstellung einzubinden, jedoch muss die Planung von anderen gemacht werden.