VdS-Schadenverhuetung News

Digitalisierung in sensiblen Gebäudebereichen ermöglichen

Zukünftiges VdS-Merkblatt schafft Klarheit bei der Nutzung von Medientechnik

Ein Artikel von Dipl.-Ing. Heike Siefkes aus dem aktuellen s+s report (01/23)

An Flughäfen oder Bahnhöfen, bei Behörden oder Kliniken, in Shoppingcentern oder Hauseingängen: Digitale Medientechnik dient immer häufiger als Wegweiser, Informationsmedium, Werbeträger oder auch dazu, Wartezeiten mit unterhaltenden Inhalten zu überbrücken. Der Mehrwert der Digital-Signage-Systeme liegt auf der Hand. Weniger klar ist die Situation, wenn es um Anforderungen des Brandschutzes und die Genehmigung von Medientechnik zur Aufstellung in sensiblen Bereichen geht. Eine unabhängige Arbeitsgemeinschaft (ARGE) unter der Schirmherrschaft von VdS arbeitet aktuell an einem Merkblatt, um erstmals bundesweit einheitliche Standards zu setzen.

Fortschreitende Digitalisierung

Die Digitalisierung schreitet auch in der Gebäudetechnik mit großen Schritten voran. Wo früher Fahrpläne auf Papier aushingen oder großflächige Werbeplakate geklebt wurden, sorgt heute Medientechnik in Form von Displays für die Informationsvermittlung und eine ansprechendere Präsentation. Die Kommunikation mit Kunden, Besuchern oder Mietern wird somit aktueller, umfassender und interaktiver. Auch Automaten, Ticketdrucker, Touchscreens, Ladesäulen, Kopierer und ähnliche elektrische Geräte finden sich in weiter wachsender Zahl in öffentlichen Gebäuden – und damit in sensiblen Bereichen, an die hohe Anforderungen hinsichtlich eines vorbeugenden Brandschutzes gestellt werden.

Risikominimierung für sensible Bereiche

Zu den besagten sensiblen Bereichen zählen insbesondere Aufenthaltsbereiche und Foyers, Treppenräume und Flure, Ladenstraßen, Wartehallen und generell Räume mit großen Menschenansammlungen. Da hier das Schadenausmaß eines Brandes besonders hoch sein kann, sind umfassende Anstrengungen notwendig, um die Wahrscheinlichkeit eines sich ausbreitenden Brandes zu minimieren. Bei der Risikobewertung werden die Szenarien „Brand von außen“ und „Brand von innen“ unterschieden.

Ein Brandereignis von außen ist beherrschbar, wenn die Geräte außenseitig schwerentflammbar sind oder so ausgebildet werden, dass ihr Brennverhalten gering ist. Das Risiko eines Brandes von innen bezieht sich insbesondere auf elektrische Geräte. Sie stellen in sensiblen Bereichen aufgrund ihrer brennbaren und elektrischen Bestandteile als mögliche Zündquelle ein Brandentstehungsrisiko und als Brandlast ein Brand- und Rauchausbreitungsrisiko dar. Sollte es aufgrund von technischen Defekten zu einem Brand innerhalb eines Gerätes kommen, ist ohne zusätzliche Maßnahmen mit einer starken Rauchentwicklung und einem erheblichen Brandverlauf zu rechnen, was die Nutzbarkeit der betroffenen Rettungswege wesentlich beeinträchtigen kann.

Relevante Verordnungen

Derzeit bestehen nur wenige klare Handlungsanweisungen, Richtlinien und Verordnungen, um das Einbringen von elektrischen Geräten in sensible Bereiche zu regeln. Die Prüf- und Genehmigungspraxis von Baubehörden in den einzelnen Bundesländern stellt sich damit heute
uneinheitlich und bisweilen auch widersprüchlich dar.

Maßgeblich für den Einsatz von elektrischen Geräten in Gebäuden sind die Musterbauordnung (MBO), die Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO), die Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVKVO) sowie die jeweiligen Landesbauordnungen (LBO). In der Bauproduktenverordnung etwa wird von einem dauerhaften Einbau gesprochen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Medientechnik, Automaten und weiteren elektrischen Geräten nicht um Bauprodukte. Zudem sind diese Geräte auch keine Bauarten und auch keine Bausätze und werden somit vom Baurecht nicht direkt erfasst.

Anforderungen des Brandschutzes

Die wesentlichen Schutzziele des Brandschutzes ergeben sich aus den allgemeinen Anforderungen in § 3 Abs. 1 und § 14 der MBO. Nach § 3 MBO sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Der § 14 MBO konkretisiert diese Anforderungen in Bezug auf den Brandschutz. Demnach sind bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.

Bezogen auf elektrische Geräte kann man ableiten, dass idealerweise die Hersteller elektrischer Geräte, aber mindestens die Systemintegratoren,
dafür Sorge tragen müssen, dass die genannten Schutzziele durch geeignete Maßnahmen erreicht werden. Mittlerweile stehen eine Reihe technischer Lösungen zur Verfügung, um das Risiko eines Brandes ausgehend von elektrischen Geräten deutlich zu minimieren und die Installation beispielsweise
von Monitoren in Flucht- und Rettungswegen genehmigungsfähig zu machen.

Geräteintegrierter Brandschutz

Vielfach zum Einsatz kommen dabei bereits heute Lösungen des geräteintegrierten Brandschutzes, die direkt im elektrischen Gerät einen Brand oder eine Überhitzung erkennen und melden, den Brand löschen sowie durch Stromunterbrechung eine Wiederentzündung verhindern. Der Vorteil dieser „aktiven“
Strategie liegt in der schnellen Alarmierung von Personen und der frühzeitigen Bekämpfung des Entstehungsbrandes. Zu den Vorreitern bei der Nutzung in sensiblen Bereichen zählt etwa der Flughafen Berlin Brandenburg (BER). Während Brandschutzkonzepte über lange Zeit zu Bauverzögerungen am BER führten, kann der Hauptstadtflughafen heute als vorbildlich gelten, wenn es um das Einhalten höchster Sicherheitsanforderungen geht. Digitale Installationen, Displays und Informationsstelen sind dort konsequent mit geräteintegrierten Brandschutzkomponenten ausgestattet.

Um die flächendeckende Anerkennung eines geräteintegrierten Brandschutzes als Schutzmaßnahme zu fördern, hat sich Anfang 2022 die Arbeitsgemeinschaft „geräteintegrierter Brandschutz“ unter VdS-Schirmherrschaft gegründet. Die ARGE setzt sich aus Vertretern von Seiten der Versicherungen, Baubehörden,
Planer, Prüfstellen, Hersteller und Anwender zusammen und erarbeitet aktuell ein VdS-Merkblatt, das neben den Anforderungen an elektrische Geräte auch eine praxistaugliche, unabhängige Prüfbarkeit von Wirksamkeit und Zuverlässigkeit der geräteintegrierten Brandschutzkomponenten definiert.

VdS-Merkblatt bis Jahresende

Damit wird es in Zukunft möglich sein, dass elektrische Geräte mit geräteintegriertem Brandschutz für den Einsatz in sensiblen Bereichen ertüchtigt werden und Oberste Baubehörden eine Baufreigabe an die Einhaltung der Maßnahmen des VdS-Merkblatts knüpfen können. Damit verbindet sich die Aussicht,
für alle Beteiligten mehr Klarheit und Transparenz in alle Prozessschritte von der Planung bis zur behördlichen Genehmigung zu bringen.

Das VdS-Merkblatt 6024 wird nach jetzigem Projektstand bis zum Jahresende 2023 vorliegen. Es stellt einen Meilenstein für die Nutzung elektrischer Geräte in sensiblen Bereichen dar. Denn eines ist klar: Die weitere Verbreitung der Medientechnik ist nicht aufzuhalten – stattdessen geht es darum, die Risikominimierung auf einen einheitlichen Standard zu bringen und die Digitalisierung auch in sensiblen Bereichen zu ermöglichen.

 

Die Autorin dieses Beitrags, Dipl.-Ing. Heike Siefkes,
ist Produktgruppenleiterin für Gas- und Sonderlöschanlagen im Produktmanagement der Technischen Prüfstelle bei VdS Schadenverhütung, Köln.

Kontakt: hsiefkes@vds.de

Der Beitrag ist in der Fachzeitschrift s+s report 01/23 erschienen.

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