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Ein Kommentar von Dr. Rolf Erbe, Berliner Feuerwehr und Rettungsdienst-Akademie BFRA, aus dem s+s report 02/2022

Elektromobilität – eine Herausforderung für den abwehrenden Brandschutz

Das Thema Elektromobilität ist im Havariefall (Unfall/Brand) immer noch vor allem von großen Unsicherheiten geprägt. Durch auch bei den Feuerwehren oft noch fehlende oder nur geringe Kenntnisse über Aufbau und Funktionsweise der Fahrzeuge und in den Medien verbreitete Negativschlagzeilen und teils „Horrormeldungen“, entstehen falsche Bilder und Fehlinterpretationen. Beispiele der Schlagzeilen sind: „Die Feuerwehren haben Angst vor Elektroautos!“ „Brennende Elektroautos sind nicht zu löschen!“

Es gibt hier eine gewisse Medienhysterie zum „Elektroauto-Höllenfeuer“. Wenn irgendwo auf
dieser Welt ein Elektroauto brennt, ist das mediale Interesse meist groß und man vergisst, dass im Alltag weit mehr Autos mit herkömmlichem Antrieb in Brand geraten. Das schafft auch bei Einsatzkräften der Feuerwehren Unsicherheit. Denn die Feuerwehren brauchen Erfahrungen beim Löschen von Elektroautos, und die gibt es bisher kaum.

Brände von Elektrofahrzeugen werden wegen der steigenden Zulassungszahlen zwangsläufig häufiger ein Einsatzgrund werden. Erste Statistiken der Sachversicherer zeigen aber, dass E-Autos im Verhältnis seltener brennen als herkömmlich angetriebene. Die Gefahren sind nicht größer, sondern anders. Während bei Verbrennern und Gasfahrzeugen auch der Kraftstoff im Brand- oder Havariefall austreten oder sich entzünden kann, muss bei E-Autos der Energiespeicher, die Batterie, beachtet werden. Elektrolyt kann austreten, die Batterie kann brennen. Darauf müssen sich Feuerwehren vorbereiten.

Die Grundlagen von Aufbau, Funktionsweise und Gefahren bei Elektrofahrzeugen sowie die Deaktivierung und richtige Rettungstechnik im Einsatz müssen alle Einsatzkräfte der Feuerwehren kennen. Durch das eigenständige und von der Umgebung und Erde getrennte Netz (Prinzip Schutztrennung) würde das Berühren eines Leiters keine Gefahr darstellen. Auch der Kontakt eines Leiters mit der Karosserie bedeutet keine Gefahr. Erst der unwahrscheinliche, jedoch nie ganz auszuschließende Fall, dass zwei freiliegende Pole ohne Schutz berührt werden, führt zum Stromfluss. Ein Kurzschluss beider Leiter führt zum Lichtbogen! Daher dürfen Hochvolt-Leitungen, aktuell noch orange, von Feuerwehren niemals beschädigt oder durchtrennt werden. Grundsätzlich sorgen jedoch Schütze für die Trennung der stromführenden Leitungen von der Batterie bei einer Deaktivierung des Systems oder bei Unfallerkennung.

Hybrid- und Elektrofahrzeuge haben damit ein vergleichbares Sicherheitsniveau wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Die Feuerwehr wird trotzdem immer den Fahrzeugstatus prüfen und bei Beschädigungen die Hochvolt-Anlage über die vorgesehene Trennstelle deaktivieren. Wie und wo am Fahrzeug das möglich ist, zeigt das Rettungsdatenblatt. Diese Maßnahme hat für die Sicherheit der eingesetzten Kräfte oberste Priorität.

Die Feuerwehren haben gegenwärtig die Möglichkeit der automatisierten Kennzeichenabfrage durch die Leitstellen und damit eindeutige Zuordnung eines fahrzeugspezifischen Datenblattes zum Unfallfahrzeug. Neben den für Rettungsarbeiten relevanten Angaben ist die Erkennung des vorhandenen Antriebs mit entsprechenden Deaktivierungsmechanismen möglich.

Der Brand eines Fahrzeugs wird immer mit der gleichen Taktik gelöscht, unabhängig vom Antrieb. Danach müssen die Energiespeicher betrachtet werden. Ein Brandrisiko bei den Batterien besteht, wenn der Batterieblock thermisch beaufschlagt, penetriert oder beschädigt wird. Es kann in der Folge zu einem Kurzschluss und der Reaktion einer Zelle kommen, die in Rauch, Funkenbildung oder Flammen resultiert. Hier besteht die Gefahr eines „Thermal Runaway“, des thermischen Durchgehens. Das bedeutet eine Kettenreaktion, bei der sich eine Batteriezelle nach der anderen entzündet.

Bei E-Autos gibt es ein bewährtes Verfahren der Temperaturmessung und Beurteilung. Werden kritische Temperaturen, Ausgasen oder ein Brand festgestellt, muss die Batterie gekühlt werden. Brennt die Batterie, kann diese nicht einfach gelöscht werden, da durch Kapselung ein direkter Löschangriff nicht möglich ist. Das Kühlen mit Wasser erfordert einen längeren Einsatz und große Wassermengen. Außerdem braucht man besondere Sprüharmaturen für einen gezielteren Einsatz. Das Einbringen von Wasser in die Batterie führt in kurzer Zeit zu schnellem Erfolg. Hierfür gibt es bereits von der Zubehörindustrie konstruierte spezielle Löschgeräte, die aktuell in verschiedenen Tests erprobt werden. Auch das kontrollierte Ausbrennenlassen wird von Fachverbänden und Herstellern als eine Option genannt. Danach besteht in aller Regel keine weitere Brandgefahr.

Nach der Gefahrenabwehr und Brandbekämpfung ist die Arbeit der Feuerwehr abgeschlossen. Jedes stark beschädigte Elektro- oder Hybridfahrzeug muss der Polizei bzw. dem Bergungsdienst mit dem Hinweis übergeben werden, dass es wegen möglicher nachträglicher Entzündung (was auch noch Tage nach der Havarie möglich ist) auf einem sicherem Platz abgestellt werden muss. In einigen Ländern bereiten sich die Bergungsunternehmen bereits auf diese neue Aufgabe vor. Sie schulen ihre Mitarbeiter, beschaffen spezielle Bergecontainer und richten besondere Abstellplätze für havarierte Elektrofahrzeuge ein.

Erfahrungen zeigen, dass eine havarierte Batterie sich auch ohne vorheriges Brennen oder nach dem Kühlen auch noch Tage später erneut entzünden kann. Bisher sind nach Feuerwehreinsätzen weltweit allerdings nur wenige solche Fälle bekannt. Das präventive Versenken oder Verpacken in Containern oder anderen Bergesystemen mit Flutung des Fahrzeugs zur Kühlung wird für Feuerwehren daher nicht empfohlen. Dazu müssten vorerst das brennende Fahrzeug und die Batterie gelöscht sein. Diese Vorsorge zur Nachsorge ist, wenn überhaupt, nach der Gefahrenabwehr an der Einsatzstelle, eine Maßnahme im Rahmen der weiteren Fahrzeugbergung. Zur Sicherheit werden havarierte E-Autos von Bergeunternehmen anschließend auf sogenannten Havarieplätzen mit Schutzmaßnahmen oder Abstand zu anderen Fahrzeugen abgestellt.

Aus den Einsatzerfahrungen weiß man, dass aufgrund von ggf. langer Kühlung, Messungen und
Kontrolle, Überwachung und Übergabe ein Feuerwehreinsatz an havarierten E-Autos etwa die 2- bis 4-fache Einsatzzeit erfordert.

Die Energiewende und das Ziel, emissionsfrei zu fahren, sorgen dafür, dass immer mehr reine Elektrofahrzeuge entwickelt werden. Hier geht es nicht nur um Pkw. Auch Nutzfahrzeuge und Busse werden zukünftig immer häufiger rein elektrisch angetrieben. Wir müssen uns als Feuerwehren auf die neue Technik und kommende Einsatzsituationen entsprechend vorbereiten. Bei der Berliner Feuerwehr gehört das Thema alternative Antriebe seit Jahren zur Grundausbildung. Zum Thema Einsätze an Elektroautos werden zudem regelmäßige Fortbildungen angeboten. Kennzeichenabfrage und Arbeiten mit Rettungsdatenblatt sind Routinen.

Ein erkanntes Problem sind Tiefgaragen ohne effiziente Lüftungssysteme und andere schlecht belüftete Bereiche. Hier kann es möglicherweise zu erhöhten Korrosionsschäden an Gebäuden und Materialien kommen. Die thermische Brandgefahr von Elektrofahrzeugen ist ansonsten mit denen herkömmlicher Fahrzeuge vergleichbar, wenn dort die Kraftstoffe verbrennen. Abschottungen, rechtzeitige Branderkennung, Entrauchung und Sprühwasserlöschanlagen – auch am Boden – wären hilfreich.

Was würde den Feuerwehren helfen?

  • einheitliche Deaktivierung der Hochvoltanlage mit mindestens zwei unabhängigen Trennstellen
  • Lösch-Zugang zu den Batterien
  • Datenzugriff auf das Batteriemanagementsystem (Temperatur)
  • Übermittlung über eCall: Rettungsdatenblätter/Daten des BMS an Leitstellen
  • Unfallforschungsdaten und Erfahrungen mit Feuerwehren teilen
  • Brandgasanalysen, auch quantitativ, und Aussagen zur Toxizität
  • Forschung zu Löschmitteln, -geräten, -taktik
  • Tiefgaragen-Brandschutz: Branderkennung/Sprühwasserlöschanlagen/Belüftung/Havarietransport/Zentrale Abschalteinrichtungen für Feuerwehr zugänglich

Zusammengefasst kann gesagt werden, es gibt neue Herausforderungen im Bereich Elektromobilität. Hier sind Standards, insbesondere bei Trennstellen für die Feuerwehr, zu schaffen, Erfahrungen mit der Industrie auszutauschen sowie Aus- und Fortbildung anzupassen. Leider gibt es viele Negativschlagzeilen und auch viele fachlich falsche Berichte in den Medien. Havarierte Elektroautos müssen nicht alle in Containern mit Wasser versenkt werden und brennende Elektroautos sind löschbar! Es besteht weiterer Forschungsbedarf und die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit Unfallforschung und Automobilindustrie.

 

Dr. Rolf Erbe, Brandoberamtsrat, ist Einsatzleiter Feuerwehr, Organisatorischer Leiter
Rettungsdienst und Umweltdienst bei der Berliner Feuerwehr sowie an der Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie in der Führungslehre tätig.

Kontakt: rolf-dieter.erbe(at)berliner-feuerwehr.de

 

 

Der Kommentar ist in der VdS-Fachzeitschrift s+s report, Ausgabe 2/2022 erschienen. https://shop.vds.de/publikation/ss-report

 

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